Meine Erkenntnisse auf dem Jakobsweg

Porto in Portugal, am 21.04.17 um 12 Uhr stehe ich an der Sé de Porto, der Kathedrale bei der der portugiesische Jakobsweg startet (offiziell in Lissabon aber das wären 620 km!! gewesen). Für das erste Mal habe ich mich für die 250 km von Porto nach Santiago de Compostela zu Fuss entschieden und im Nachhinein war das eine weise Entscheidung. 

Mein Rucksack wiegt ca. 8 kg, eigentlich viel zu schwer für mein derzeitiges Körpergewicht. Man sollte eigentlich nicht mehr als 10% seines Körpergewichtes mit sich rumschleppen. Aber irgendwie habe ich es nicht geschafft, die Kilos zu reduzieren und ich habe auch wirklich alles gebraucht, was ich eingepackt habe. (ausser die Kondome, aber die wiegen ja nichts) 🙂

Hoch motiviert und voller Ehrgeiz laufe ich die ersten Kilometer los, irgendwie doch anstrengender wie ich dachte und irgendwie fühle ich auch schon die ersten Blasen an meinen Füssen. „Das kann doch nicht sein, meine Wanderschuhe habe ich schon ein paar Jahre und bin mit diesen schon mehrmals gewandert“, schimpfe ich. Aber anscheinend ist doch etwas anders. Ok, es ist warm, das Gewicht auf den Füssen, man schwitzt, es reibt, man ist es nicht gewohnt, so lange zu laufen.

Nach ca. 22 km bin ich in der ersten Unterkunft in Lava, wobei ich mich irgendwann mal verlaufen habe, angekommen. 16 Euro für ein Zimmer auf einem Campingplatz und eine kalte Dusche. (Das Gas war leer, aber darauf sind wir erst am nächsten Tag gekommen) 🙂 Den Bungalow habe ich mir noch mit zwei Deutschen und einem Schweizer Ehepaar geteilt. Die zwei Frauen aus Deutschland ( ich nenne sie mal Erika und Monika) laufen den Jakobsweg das zweite Mal (es gibt sehr viele unterschiedliche Jakobswege wie zum Beispiel durch Frankreich oder Spanien) und sie haben sich beim ersten Camino (Jakobsweg) kennengelernt und laufen nun zusammen.

Erika und Monika habe ich auch am nächsten Tag wieder in der nächsten Herberge getroffen und sogar am vorletzten Tag auch nochmal. Viele Pilger sieht man des öfteren, so auch einen Holländer namens Jacques, den ich am zweiten Tag auf dem Weg kennengelernt habe. Wir konnten beide nicht mehr, hatten Schmerzen an den Füssen und sind zusammen zu der Herberge gehumpelt. Sowas schweisst zusammen und als wir ankamen haben wir erstmal ein Bier zusammen getrunken. Jacques habe ich dann lustigerweise jeden Tag wieder gesehen, er kam immer aus dem nichts, obwohl wir beide sehr unterschiedliche Schritttempos haben und er auch bereits über 70 Jahre ist.

        

Aber es war toll, ihn jedes Mal wieder zu treffen. Er hat mir immer seine aufregenden Geschichten während seiner Jakobswege (glaube er ist schon mehr als 4 gelaufen) und seines Lebens erzählt, welche mich immer zum staunen und schmunzeln gebracht haben. Eine grosse Inspiration, sowie auch Elizabeth von Neuseeland, auch über 70 Jahre, die extra von Neuseeland anreist, um den Jakobsweg zu laufen.

Viele, denen ich begegnet bin, sind nicht aus religiösen Motiven gelaufen. Für manche ist es eine spirituelle Erfahrung. Es ist wie Meditation, den Kopf frei bekommen, sich bewegen und einfach im Hier und Jetzt sein. Für andere ist es ein Weg der Heilung, da Ihnen etwas Tragisches im Leben passiert ist (Sohn bei einem Unfall verloren, Mann weg usw.) Das Laufen gibt Abstand und Raum zu trauern und wieder Mut zu schöpfen. Für wieder andere ist es mehr eine sportliche Herausforderung, sie möchten den Weg so schnell und gut wie möglich bewältigen. Ich nenne sie Hardcore Pilgrim. Dazu habe ich auch eine Youtube Playlist erstellt, die motivieren und zum schmunzeln bringen soll. 🙂

Für mich war es im Nachhinein eine Mischung aus sportlichem und spirituellen Motiven, ohne aber vorher wirklich darüber nachzudenken. Ich wollte einfach wissen, was dieser Weg mit mir macht und wie es für mich sein wird. Sogar Reiki konnte ich praktizieren, was mich sehr gefreut hat.

Der nächste Tag war alles andere als schön. Meine Blasen wurden grösser und es sind noch weitere dazugekommen. Meine Schulter schmerzten, aber der Weg an der Küste war wunderschön.

Dies und meine Musik motivierten mich, bis zum nächsten Etappenziel zu laufen. Nach 27.5 km bin ich endlich da. Dieses Mal schlafe ich in einer Pilgerherberge. Das sind Massenunterkünfte, die auf Spendenbasis leben. Man empfiehlt mindestens 5 Euro zu geben und das ist es mir auch mehr als wert. Man bekommt ein Bett in einem Schlafsaal (von 12 bis 20 Betten in einem Zimmer) und eine heisse Dusche (meistens). Ich habe auf meinem Weg nie eine Unterkunft im Voraus reserviert und habe immer ein Bett bekommen. Wichtig ist vielleicht, dass man nicht so spät dort ankommt, vor 18 Uhr würde ich empfehlen.

Es gibt fast überall ein Restaurant, welches ein Pilgermenü anbietet. Das kostet so um die 10 Euro und man erhält ein 3-Gang Menü inklusive Wein und Kaffee. Super Preis-/Leistungsverhältnis. Ich dachte eigentlich, dass ich während meiner Pilgerreise auf Alkohol verzichten werde. Aber alle haben mich nur komisch angeschaut und gesagt, dass dies absolut dazu gehört und es ist ja sowieso inklusive. Man bekommt eine Flasche Wein unter 5 Euro und der ist nicht mal schlecht. 🙂

Um 22 Uhr ist für die meisten dann Schlafenszeit, da die meisten um 7 Uhr bereits wieder losmarschieren. Ich kann überraschenderweise sehr gut schlafen, obwohl ich eigentlich sehr empfindlich reagiere auf Lärm, Hitze, Kälte usw. Aber mit meinen Ohrstöpsel habe ich geschlafen wie ein Stein. Ok, die sportliche Betätigung und der Wein tragen natürlich auch dazu bei. 🙂

3. Tag: Heute geht es irgendwie gar nicht gut. Ich habe mega Schmerzen von den Blasen, laufe wie ein Zombie und nicht schneller als eine Schnecke. Die Blasenpflaster helfen so gut wie gar nicht, ich konnte auch fast nicht mehr auf meine Ferse auftreten, so dass ich sogar ein Päckchen Taschentücher zur Dämmung in meinen Strumpf gesteckt habe. (aber hat auch nur bedingt geholfen). An diesem Tag kam ich wirklich an meine Grenzen. Nach knapp 18km war Schluss, ich bin zur nächsten Herberge gehinkt und wollte nur noch aufgeben.

Als ein Italiener namens Marco meine Füsse gesehen hatte, fragte er nur ernüchternd: „Du willst mit diesen Füssen nach Santiago“?, „Das wird nichts!“
Ich dachte nur, „Scheisse, ich glaube er hat Recht.“ 🙂 

Dann hat er mich gefragt, ob er meine Füsse behandeln soll. Er ist schon oft den Jakobsweg gelaufen und hat alles dabei, um die Füsse wieder fit zu machen. „OK“ sagte ich schüchtern und übergab meine Füsse hoffnungsvoll an einen Italiener. 🙂
Er durchstach alle meine Blasen mit Nadel und Faden und liess ein Stück von Faden in der Blase, damit das Wasser rauslaufen kann und somit kein Druck entstehen konnte. Er nahm sich wirklich sehr viel Zeit und hat meine Füsse sehr fürsorglich und mit viel Liebe behandelt. Am nächsten Tag stand eine Etappe von 36 km an und er meinte nur, wenn ich das will, dann kann ich das, auch wenn meine Füsse was anderes sagen.

Und was soll ich sagen, Marco sollte Recht behalten, denn am nächsten Tag ging es um einiges besser. Zwar immer noch Schmerzen, aber es war auszuhalten. Und mit Hilfe eines anderen sehr sympathischen Italieners namens Alessandro konnte ich die Etappe von 36 km in knapp 6 Stunden meistern. Am Abend habe ich sogar Marco wiedergetroffen und ich konnte ihm nochmal herzlich umarmen und danke sagen.

Die nächsten Tage wurden einfacher und es machte mehr und mehr Spass. Alessandro lief immer noch den Weg mit mir zusammen. Wir hatten ganz tolle Gespräche und viel zu Lachen. Daneben habe ich Jacques abends immer getroffen und bei einem Glas Wein hat er uns von seinen lustigen Geschichten erzählt. Es war einfach nur genial und Leben war so einfach. Man musste sich um nichts Sorgen machen, was wusste immer was am nächsten Tag zu tun ist: also laufen, Schlafplatz suchen, essen, schlafen. So einfach und doch so zufriedenstellend. 🙂 Manchmal sind es halt doch die einfachen Dinge, die uns glücklich machen und wir sollten uns darauf auch immer mal wieder besinnen.

Nach 11 Tagen kamen wir dann endlich am Montag, 01.05.17 in Santiago de Compostela an. Ich war mega glücklich und gleichzeitig auch etwas wehmütig, dass dieser Weg jetzt zu Ende ist.

Es war eine magische Zeit, in der ich so wunderbare Menschen begegnet bin.
Jeder Mensch hat auf seine Weise, mein Weg zu einem ganz besonderen Erlebnis gemacht.

Meine Erkenntnis:

Man ist viel stärker, wenn man mit anderen Menschen zusammen geht.

Und:

Man ist nie zu alt für etwas was man in seinem Leben erreichen oder tun möchte. Wo ein Wille, ist ein Weg.

Das haben mir ganz wundervolle Menschen wie Jacques aus Holland oder Elizabeth aus Neuseeland gezeigt. Beide sind über 70 Jahre und was sie geleistet haben, ist mehr als inspirierend.

Hier findest du noch mein Video, welches ich kurz vor meiner Ankunft in Santiago de Compostela gedreht habe.

Ich hoffe, ich kann dich damit inspirieren, den Weg deines Herzens zu gehen, auch wenn der Wunsch noch so ungewöhnlich oder verrückt klingt. Wir brauchen verrückte Menschen, denn diese zeigen dir, was alles möglich ist. 🙂

Weiterhin empfehle ich dir natürlich die Berufungslounge, wo neue geniale Ideen entstehen und wir uns gegenseitig unterstützen, sein authentisches selbst zu entdecken und zu leben.

Berufungerleben

Was Verrücktes möchtest du als nächstes machen? Ich freue mich über deine Kommentare.
Hier auf meinem Facebook Profil findest du noch weitere Bilder von meinem Jakobsweg. Der nächste kommt bestimmt. 🙂

https://www.facebook.com/bunteSeele

Und falls ihr auch jetzt vorhabt, den portugiesischen Weg zu gehen (oder auch einen anderen) empfehle ich euch diese Facebook Gruppe von Herzen.

FB-Gruppe Caminho Português

Alles Liebe, Leichtigkeit und Freude

Nadine

Das könnte dich auch interessieren …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*